Haben Sie schon einmal dieses Gefühl gehabt? Dieses Kribbeln in den Füßen, diese Sehnsucht nach Weite, nach einem Horizont, der nicht von Häuserwänden begrenzt wird? Wenn Sie wissen, wovon ich spreche, dann habe ich heute ein ganz besonderes Ziel für Sie. Und wenn nicht, dann ist es höchste Zeit, dass Sie es kennenlernen. Es geht um einen Berg, der mehr ist als nur ein Haufen Felsen und Erde. Es geht um einen Ort voller Mythen, Geschichte und einer fast magischen Anziehungskraft. Ich spreche vom Brocken im Harz, dem mit 1.141 Metern höchsten Gipfel Norddeutschlands.
Vielleicht fragen Sie sich jetzt: „Warum ausgerechnet der Brocken? Es gibt doch so viele Berge.“ Das stimmt. Aber der Brocken ist anders. Seine exponierte Lage sorgt für ein raues, subalpines Klima mit über 300 Nebeltagen im Jahr, extremen Stürmen und einer Jahresdurchschnittstemperatur von nur 2,9 °C – vergleichbar mit den Alpen auf 2.200 Metern Höhe. Eine Wanderung auf seinen Gipfel ist daher nicht einfach nur Sport oder ein Ausflug ins Grüne. Es ist eine Reise zu sich selbst, ein Abenteuer, das die Sinne weckt und Erinnerungen schafft, die ein Leben lang halten. Es ist die Kombination aus mystischer Atmosphäre, rauer Natur, deutscher Geschichte und dem unvergleichlichen Gefühl, es aus eigener Kraft bis ganz nach oben geschafft zu haben.
In diesem Beitrag nehme ich Sie mit auf eine gedankliche Reise. Ich möchte Ihnen zeigen, warum Sie mindestens einmal in Ihrem Leben auf den Brocken wandern sollten. Wir werden die schönsten und beliebtesten Routen erkunden, dem Geheimnis lüften, warum die Erbsensuppe auf dem Gipfel so legendär schmeckt, und einen Blick auf die nostalgische Alternative werfen: die historische Brockenbahn. Schnüren Sie Ihre imaginären Wanderschuhe – es geht los!
Die Qual der Wahl: Die schönsten Routen zum Gipfelglück
Es gibt nicht den einen Weg auf den Brocken. Wie bei vielen Dingen im Leben führen auch hier viele Wege zum Ziel, und jeder hat seinen eigenen Charakter. Für viele ist der Gipfelstempel der „Harzer Wandernadel“ (Stempelstelle 9) ein zusätzlicher Anreiz. Ob Sie ein erfahrener Alpinist sind oder ein Sonntagsspaziergänger, der eine Herausforderung sucht – es gibt die passende Route für Sie. Hier sind die drei beliebtesten Wege.
1. Der Goetheweg ab Torfhaus: Der Klassiker für Panoramaliebhaber
Der wohl bekannteste und meistbegangene Aufstieg beginnt in Torfhaus. Diese Route ist Teil des berühmten Harzer-Hexen-Stiegs und folgt den Spuren, die schon Goethe genommen haben soll.
- Länge: ca. 8 km (pro Strecke)
- Dauer: ca. 2,5 – 3 Stunden (Aufstieg)
- Schwierigkeit: Mittel
Der Weg startet direkt am großen Parkplatz in Torfhaus, wo Sie einen ersten, ehrfurchtgebietenden Blick auf Ihr Ziel haben. Der erste Teil führt Sie auf einem langen Holzsteg durch das Große Torfhausmoor. Diese einzigartige, baumlose Hochmoorlandschaft ist faszinierend und gespenstisch zugleich. Fleischfressender Sonnentau, Wollgras und kümmerlich gewachsene Moorkiefern säumen den Weg, während die Stille nur vom Knarren der Bohlen unter Ihren Füßen durchbrochen wird.
Anschließend geht es auf breiten Schotterwegen in den Nationalpark Harz. Sie folgen dem Abbegraben, einem Meisterwerk historischer Wasserbaukunst, bevor der eigentliche Anstieg beginnt. Der Weg schlängelt sich nun entlang der Trasse der Brockenbahn. Immer wieder wird das rhythmische Schnaufen und Pfeifen der Dampflok Ihre Wanderung begleiten – ein akustisches Highlight, das die Vorfreude auf den Gipfel steigert.
Der letzte Kilometer, die asphaltierte Brockenstraße, kann bei Müdigkeit etwas zäh werden. Doch der stetig weiter werdende Ausblick und das Wissen, es bald geschafft zu haben, treiben Sie voran. Diese Route ist perfekt für alle, die eine gut ausgebaute Strecke mit moderater Steigung und fantastischen Ausblicken schätzen.
2. Der Eckerlochstieg ab Schierke: Das Abenteuer für Trittsichere
Wenn Sie eine größere Herausforderung suchen und das Gefühl von „echtem“ Bergwandern lieben, dann ist der Eckerlochstieg Ihr Weg.
- Länge: ca. 6 km (pro Strecke)
- Dauer: ca. 2,5 – 3 Stunden (Aufstieg)
- Schwierigkeit: Schwer
Der Startpunkt liegt in Schierke, einem malerischen Ort, der einst als „St. Moritz des Nordens“ galt. Von hier aus folgen Sie zunächst einem breiten Weg, bevor Sie links auf den Eckerlochstieg abbiegen. Und dann geht es zur Sache. Der Pfad wird schmal, steil und ist von Wurzeln und großen Granitblöcken durchsetzt. Es geht über Stock und Stein, und bei Nässe ist absolute Trittsicherheit in festen, knöchelhohen Schuhen gefragt. Sie wandern durch eine wildromantische Schlucht, entlang des plätschernden Baches „Schwarzes Schluftwasser“.
Dieser Weg ist anstrengend, keine Frage. Er fordert Ihre Kondition und Konzentration. Aber er belohnt Sie mit einer unvergleichlichen Naturerfahrung. Sie sind mittendrin im urwüchsigen, totholzreichen Bergfichtenwald, weit weg von den größeren Menschenmassen des Goethewegs. Sie spüren den Fels unter Ihren Füßen und hören Ihren eigenen Atem. Kurz vor dem Gipfel mündet der Eckerlochstieg in die Brockenstraße, und das Gefühl, diesen anspruchsvollen Weg gemeistert zu haben, ist unbezahlbar.
3. Heinrich-Heine-Weg ab Ilsenburg: Die romantische Wasserfall-Route
Dieser Weg gilt unter Kennern als der schönste, aber auch der längste und anspruchsvollste Aufstieg. Er wurde nach dem Dichter Heinrich Heine benannt, der seine Wanderung in seinem berühmten Werk „Die Harzreise“ von 1826 eindrücklich beschrieb.
- Länge: ca. 11 km (pro Strecke)
- Dauer: ca. 4 – 5 Stunden (Aufstieg)
- Schwierigkeit: Schwer
Die Wanderung beginnt in Ilsenburg und führt Sie durch das wildromantische Ilsetal. Zunächst wandern Sie gemütlich entlang der plätschernden Ilse, vorbei an den malerischen Ilsefällen. Der Weg wird langsam steiler und führt Sie tief in den Wald hinein, vorbei an den schroffen Felsformationen der „Hermannsklippe“ und „Bismarckklippe“. Hier beschrieb Heine das Gefühl, sich in einer Märchenwelt zu befinden – und man kann es ihm nachfühlen.
Der Weg zeigt eindrucksvoll den Wechsel der Vegetationszonen: vom lieblichen Laubwald im Tal über den dichten Nadelwald bis zur baumlosen, tundraartigen Gipfelregion, wo nur noch Zwergsträucher und Gräser dem Wind trotzen. Dieser Aufstieg ist eine echte Tageswanderung, die Ihnen alles abverlangt, aber auch am meisten zurückgibt – ein Gefühl, den Berg in seiner ganzen Vielfalt erobert zu haben.
Die legendäre Erbsensuppe: Warum Essen auf dem Berg immer besser schmeckt
Wenn Sie es endlich geschafft haben, wenn der Wind Ihnen um die Ohren pfeift und Sie erschöpft, aber überglücklich auf dem Brockenplateau stehen, dann gibt es ein Ritual, das fast so wichtig ist wie der Gipfelsturm selbst: eine Einkehr im Brockenhotel und der Genuss einer deftigen Mahlzeit. Der absolute Klassiker seit über hundert Jahren ist die Erbsensuppe mit Bockwurst.
Aber warum schmeckt diese einfache Suppe hier oben so unglaublich gut? Das hat mehrere Gründe:
- Der Belohnungseffekt: Sie haben gerade eine stundenlange, körperliche Anstrengung hinter sich. Ihr Gehirn schüttet Glückshormone aus, weil es die Anstrengung mit einer unmittelbaren und befriedigenden Belohnung verknüpft. Jeder Löffel fühlt sich verdient an.
- Der Kontrast: Auf dem Gipfel sind Ihre Sinne geschärft. Die kalte, klare Luft, der weite Blick, das Gefühl des Windes auf der Haut – all das intensiviert die Wahrnehmung. Der Kontrast zwischen der rauen, oft kalten Natur draußen und der warmen, gemütlichen Stube drinnen verstärkt den Genuss einer heißen Mahlzeit ungemein.
- Die Physiologie von Höhe und Kälte: Auf 1.141 Metern ist die Luft bereits spürbar kühler und der Wind entzieht dem Körper zusätzlich Energie (Windchill-Effekt). Um seine Kerntemperatur zu halten, kurbelt der Körper den Stoffwechsel an. Dieser erhöhte Energieverbrauch führt zu einem gesteigerten Appetit, insbesondere auf warme, salzige und kalorienreiche Speisen. Die Erbsensuppe ist die perfekte Antwort darauf.
Diese Kombination aus körperlicher Verausgabung, psychologischer Belohnung und einer einzigartigen Umgebung macht die Erbsensuppe auf dem Brocken zu einem kulinarischen Mythos. Es ist nicht nur Nahrung, es ist der Geschmack des Erfolgs.
Die Alternative für Genießer: Mit Volldampf auf den Gipfel
Nicht jeder kann oder möchte den Brocken zu Fuß erklimmen. Und dafür gibt es eine wunderbare, nostalgische und absolut unvergessliche Alternative: die Brockenbahn, eine der letzten großen, dampfbetriebenen Schmalspurbahnen Deutschlands im täglichen Einsatz.
Die Fahrt ist ein Erlebnis für sich. Die kraftvollen Dampfloks, teilweise fast 70 Jahre alt, schnaufen und pfeifen, während sie sich auf der meterspurigen Strecke Meter für Meter den Berg hinaufkämpfen. Sie starten zum Beispiel im malerischen Wernigerode, in Drei Annen Hohne oder in Schierke. Die Fahrt dauert von Wernigerode aus fast zwei Stunden.
Auf den offenen Plattformen zwischen den Waggons zu stehen, den Geruch von Kohle und Dampf in der Nase, den Fahrtwind im Gesicht und dabei zuzusehen, wie die Landschaft langsam von dichten Wäldern zu karger Gipfelflora wechselt, ist pure Eisenbahnromantik. Die Bahn schraubt sich in einer Spirale 1,5-mal um den Berg, um die Steigung zu überwinden, bevor sie den höchstgelegenen Adhäsions-Bahnhof Deutschlands erreicht. Die Bahn ist nicht nur ein Transportmittel, sie ist ein fahrendes Museum und ein Stück lebendige Technikgeschichte, das nach der Wiedervereinigung 1991 feierlich den Personenverkehr wiederaufnahm.
Ihr Brocken-Abenteuer: Zusammenfassung in 6 Schritten
Der Brocken ist mehr als nur ein Berg. Er ist ein Erlebnis, das Körper und Geist fordert und belohnt. Eine Wanderung auf seinen Gipfel ist eine Reise durch Mythen, Geschichte und atemberaubende Natur.
Hier ist Ihr Plan für ein unvergessliches Abenteuer:
- Inspiration tanken: Beschäftigen Sie sich mit den Mythen (Walpurgisnacht, Brockengespenst) und der jüngeren Geschichte des Berges.
- Route wählen: Entscheiden Sie sich je nach Fitness und Vorliebe für den klassischen Goetheweg, den abenteuerlichen Eckerlochstieg oder den romantischen Heinrich-Heine-Weg.
- Richtig packen: Festes Schuhwerk, wetterfeste Kleidung im Zwiebellook, Mütze, Handschuhe, Wasser und Snacks sind unverzichtbar – selbst im Sommer.
- Den Aufstieg genießen: Nehmen Sie sich Zeit, atmen Sie tief durch und achten Sie auf die wechselnde Natur und die Geräusche – den Wind, die Vögel, das Pfeifen der Brockenbahn.
- Am Gipfel belohnen: Feiern Sie Ihren Erfolg mit einer Erbsensuppe, besuchen Sie das Brockenhaus-Museum und genießen Sie bei gutem Wetter die 360-Grad-Aussicht.
- Den Abstieg gestalten: Entscheiden Sie, ob Sie zu Fuß absteigen oder sich die nostalgische Fahrt mit der Brockenbahn gönnen, um das Erlebnis abzurunden.









